Wichtiges Gerichtsurteil für Menschen mit Behinderungen aus der Ukraine

Ukrainische Menschen mit Behinderung haben einen Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe nach SGB IX. Das stellt das Sozialgericht Nürnberg fest.
Der Bezirk Mittelfranken sah das im Fall eines Kindes mit Downsyndrom anders und lehnte die Anträge der Familie auf Kostenübernahme für den Besuch einer Heilpädagogischen Tagesstätte ab, u.a. da kein dauerhafter Aufenthalt vorhanden sei. Der Bezirk bezog sich hierbei auf § 100 Abs. 1 SGB IX. Dort heißt es: „1) Ausländer, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, können Leistungen nach diesem Teil erhalten, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkung auf Ermessensleistungen nach Satz 1 gilt nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten.

Das Gericht urteilte nun: Die für Ukrainer*innen befristete Aufenthaltserlaubnis von zwei Jahren spricht nicht gegen die Prognose eines dauerhaften Aufenthalts. Die Befristung ergibt sich aus europarechtlichen Vorgaben und die Aufenthaltserlaubnis ist zudem verlängerbar. Für die Entscheidung, ob es sich um einen „voraussichtlich dauerhaften“ Aufenthalt im Bundesgebiet handelt, sind daher die Umstände des Einzelfalls maßgeblich: Das Gericht argumentierte: Da die Eltern des Kindes erklärtermaßen keine schnelle Rückkehr anstreben, ist hier von einem dauerhaften Aufenthalt auszugehen und die Familie hat somit einen Leistungsanspruch ohne Ermessen auf Eingliederungshilfe.

Das Gericht kritisierte im Urteil den Landkreis Mittelfranken. Dieser habe nicht versucht zu eruieren, ob bei der Familie individuelle Gründe für einen dauerhaften Aufenthalt sprechen und sei seiner Pflicht zur Amtsermittlung damit nicht nachgekommen. Im Gegenteil argumentierte der Landkreis, dass aufgrund der „nicht zu lange andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen“ keine Prognose hinsichtlich eines dauerhaften Aufenthaltes abgegeben werden könne. Diese Begründung wies das Gericht als „nicht ansatzweise nachvollziehbar“ zurück.